Bessere Entscheidungen treffen – trotz der vielen unbewussten Einflüsse

24. Oktober 2022

Oder: wie tue ich mir etwas Gutes?

Ist das nicht seltsam? Ob in Werbung, Politik, Unternehmen oder Beziehungen: Seit vielen Jahren nutzen andere erfolgreich Erkenntnisse über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, um unsere Beurteilungen und Entscheidungen zu beeinflussen. Wollen wir diese Erkenntnisse aber für uns selbst nutzen, dann stoßen wir auf zahlreiche Hürden.

Das fängt schon damit an, dass uns viele dieser Beeinflussungen gar nicht bewusst sind. Und selbst wenn wir die beeinflussenden Filter erkennen, scheinen sie trotzdem zu wirken.


Nur ein Beispiel von tausenden: Unser Gehirn bewertet in vielen Fällen Bekanntes positiver als Unbekanntes. Werbung beeinflusst uns, indem in Werbespots die Markennamen wiederholt werden. Das verankert den Namen in unserem Gehirn und die Kaufwahrscheinlichkeit steigt, weil uns die Marke bekannt vorkommt.


Das scheint sogar selbst dann zu funktionieren, wenn wir wissen, dass wir manipuliert werden: an welche Müslimarke denken Sie als erstes? Ich schätze, den meisten fällt zuerst die Marke ein, bei der zwei Schwaben den Namen gefühlt 30-mal in 20 Sekunden wiederholen. Alle finden das nervig, aber der Name bleibt trotzdem hängen. Angesichts der aufgerufenen Preise für diese Marke scheint der Effekt zu funktionieren. Will ich den wirklich das Doppelte für ein Müsli ausgeben, nur weil der Name bekannt ist?


Bekanntheit ist aber leider nur einer von vielen Einflüssen auf unsere Bewertungen und Entscheidungen. Rolf Dobelli beschreibt in The Art of Thinking clearly 99 „biases”. Allein die Menge der Einflussgrößen ist schon erschreckend. Und dass wir die meisten davon gar nicht bewusst erleben, macht es auch nicht besser.


Mal angenommen, wir wollten diese ganzen unbewussten Einflüsse vermeiden, um bewusste und unmanipulierte Entscheidungen zu treffen. Bei den vielen Wahrnehmungen und Gedanken die wir als Menschen minütlich erleben ist das nicht realistisch Ich glaube wir wären handlungsunfähig, schon weil wir für das Durchdenken viel zu lange bräuchten.

Müssen wir also akzeptieren, dass andere sich diese Funktionsweisen unseres Gehirns für ihre Zwecke zu Nutze machen und wir selbst das nicht können?


Müssen wir nicht! Ich glaube, dass wir die unbewussten Einflüsse zwar nicht abstellen aber reduzieren können. Mit diesen 5 Leitlinien können wir das erreichen:


1.      Wissen hilft

Zunächst einmal hilft das Wissen darüber, dass es diese Filter und Beeinflussungen gibt. Darüber gibt es viele Bücher und Videos. Literaturempfehlungen findet ihr in meinem ersten Blogartikel.


2.      Relevante Entscheidungen bewusster treffen

Relevante Entscheidungen, sind die, bei denen es um mehr geht. Dazu gehören die Wahl der Partner, wichtige Kauf- oder Investitionsentscheidungen, Berufswahl, etc.. Was für einen selbst „relevant“ ist darf jeder selbst entscheiden. Messen lässt sich die Relevanz z.B. im Geldbetrag, den ich ausgebe oder zeitlichen Auswirkungen einer Entscheidung. Du weißt nicht, was für dich relevant ist? Dann hilft z.B. eine eigene Vision mit deinen Werten. Dazu habe ich eine Videoserie gemacht.


3.      Zeit nehmen

Bewusste Entscheidungen brauchen Zeit. Ein Gedanke nach dem anderen. Nachdenken ist Arbeit und kostet Energie. Wenn etwas für mich relevant ist, dann lohnt sich die Investition.


4.      Vielfalt nutzen

Andere Blickwinkel bringen neue Einsichten. Indem ich eine Frage aus einer anderen Perspektive betrachte entdecke ich unbewusste Beeinflussungen leichter. Das kann ich für mich selbst tun oder im Austausch mit anderen. Das ist einer der Gründe, weshalb es sich lohnen kann bei wichtigen Entscheidungen mit einem Coach zusammenzuarbeite.


5.      Denken in Hypothesen

Wenn mir bewusst ist, dass meine Wahrnehmungen und Entscheidungen immer unbewusste Einflüsse enthalten, dann kann das auch entlastend sein. Wenn ich eine Haltung entwickle, die diese Einflüsse mit einbezieht, dann wird mein Denken flexibler. Ich bin darauf vorbereitet immer neue Aspekte zu entdecken, die meine Entscheidung beeinflussen können. Anstatt mein Denken und meine Einsichten als die einzig richtigen zu setzen kann ich sie auch als Hypothesen verstehen. Hypothesen im Sinne von Annahmen, dass ich eine Situation unter bestimmten Rahmenbedingungen so bewerte, wie ich es gerade tue. Und neue Informationen können die Rahmenbedingungen und damit meine Entscheidung verändern. Wichtig ist dabei, wie ich für mich damit umgehe: bin ich enttäuscht, weil sich etwas geändert hat? Oder freue ich mich über den Erkenntnisgewinn? Wenn die Freude bei Veränderungen überwiegt, dann bin ich auf dem guten Weg zu einem Denken in Hypothesen.


Das sind doch nur 5 Leitlinien. Ist doch ganz einfach, sich daran zu halten. Oder?


So, und jetzt gehe ich Müsli kaufen. Aber das Günstige 😉…

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